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Flügellahm
Den Flügel hast du mir gebrochen,
denn deine Grube war zu tief.
Während ich dich beim Namen rief,
hast du mir hoch und heil versprochen,
käm ich aus meinem Nest gekrochen,
könnte ich fliegen, wenn auch schief,
mit einem Flügel. Instinktiv
wollt ich auf deine Worte pochen,
flog blind, nur scheinbar himmelwärts -
direkt in dein erkaltet Herz.
Bevor ich wieder zu mir kam,
war auch der zweite Flügel lahm.
Ha!, dachtest du. Jetzt ist sie zahm!
Und sahst nicht meinen Seelenschmerz.
Sonett von Karin Rohner (2004)
Der schwarze
Bettelmann
Was ist das für ein Bettelmann?
Er hat ein kohlrabschwarz Röcklein an
und läuft in dieser Winterzeit
vor alle Türen weit und breit,
ruft mit betrübtem Ton: "Rab, rab!
Gebt mir doch einen Knochen ab!"
Da kam der liebe Frühling an,
gar wohl gefiel's dem Bettelmann.
Der breitet seine Flügel aus
und flog dahin weit über's Haus.
Hoch aus der Luft, so fisch und munter,
"Hab Dank, hab Dank," rief er herunter.
Wilhelm Hey 1789-1854
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